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Projekte

Ein Projekt das uns sehr am Herzen liegt – Spielzeugfreie Zeit 

Ein Projekt, das uns sehr am Herzen liegt und das wir bereits seit 2011 jedes Jahr im Frühling

erfolgreich durchgeführt haben, ist die spielzeugfreie Zeit. Es wurde von den Kindern, den Eltern (nach anfänglicher Skepsis) und auch den Betreuerinnen/Betreuern sehr positiv wahrgenommen.

 

Entstanden ist das Projekt 1992 in Bayern. In Zusammenarbeit von Gesundheitsamt, des Amtes für Jugend und Familie, von Erzieherinnen/Erzieher des Kindergartens, einer Vertreterin der Aktion Jugendschutz der Landesarbeitsstelle Bayern e.V. wurde das Projekt „Spielzeugfreier Kindergarten“ geplant und durchgeführt. (vgl. Schubert/Strick 2004, S. 11 – 12)

 

Warum spielzeugfreie Zeit?

Mit einem Wort beschrieben, ist das Ziel der spielzeugfreien Zeit „Lebenskompetenzförderung“. Bei der Definition von Gesundheit eines Menschen bezieht die WHO ausdrücklich das ganze Lebensumfeld mit ein, es geht um körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden. Um dieses Wohlbefinden zu erlangen und Gesundheit zu fördern, braucht es die Fähigkeit des Einzelnen und auch der Gruppe, Bedürfnisse zu befriedigen, Wünsche und Hoffnungen wahrzunehmen und zu verwirklichen sowie die Umwelt meistern und verändern zu können. „Gesundheitsförderung unterstützt die Entwicklung von Persönlichkeiten und sozialen Fähigkeiten durch Information, gesundheitsbezogene Bildung sowie die Verbesserung sozialer Kompetenzen und lebenspraktischer Fertigkeiten.“ (Schubert/Strick 2004, S. 7)

Ausgebildete Lebenskompetenzen wie z. B. Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Selbstvertrauen, Frustrationstoleranz, … sind wichtige Schutzfaktoren gegen eine mögliche Suchtgefährdung.

 

Wenn man sich überlegt, wie man Kinder dahingehend fördern kann, Wünsche und Hoffnungen wahrzunehmen, ihre sozialen Kompetenzen und lebenspraktischen Fähigkeiten zu verbessern, stellt sich auch die Frage, was dem in der heutigen Kindheit entgegenstehen kann.

Kindheit ist heute häufig von einem Mangel an wirklich frei verfügbarer Zeit, einer permanenten Konfrontation mit Konsumgütern sowie dem Zwang immer funktionieren zu müssen, geprägt. Dieser zunehmend an Leistung, Erfolg und Konsum orientierten Welt stehen immer weniger Freiräume für Kinder gegenüber. Ein Mangel an sozialer Geborgenheit, die Verdrängung kindlicher Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten sind die Folge. Käufliche Ersatzbefriedigungen „entlasten“ oftmals schnell von den täglichen Problemen und Frustrationen, Unzufriedenheiten der Kinder werden mit „Trostpflastern“ abgewehrt.

 

Kinder aber brauchen den Raum und die Zeit zur Auseinandersetzung mit sich selbst, den Erwachsenen, den anderen Kindern und ihrer Umwelt. Nur so können sie sich – mit all` ihren Ressourcen und den in ihnen angelegten Möglichkeiten – ihrem Alter entsprechend entwickeln, vertrauensvolle Selbsterfahrungen machen und eigene Ideen und Phantasien entfalten. Zur Entwicklung sozialer Kompetenzen brauchen sie ihren eigenen Rhythmus, Zeit, Selbstbestimmung, ehrliche Anerkennung, Unterstützung und Begleitung durch die Erziehenden und natürlich auch Grenzen.

 

Die Entwicklung dieses Selbstbewusstseins (= sich seiner Selbst bewusst sein), des Wissens darüber „Wer bin ich? Was kann ich? Was kann ich nicht?“ ist eben auch im Hinblick auf Suchtprävention – dem Ausgangsgedanken für die Entstehung dieses Projektes – von entscheidender Bedeutung.

 

Festhalten möchten wir aber jedoch, dass es nicht darum geht, Spielzeug zu „verteufeln“ sondern darum, Zusammenhänge zwischen dem Verdrängen kindlicher Bedürfnisse und der Entwicklung einer Suchtproblematik oder anderer ausweichender Verhaltensweisen aufzuzeigen und im Weiteren pädagogisch darauf zu reagieren.

Der zeitlich begrenzte Wegfall gewohnter Strukturen und Angebote lässt einen Freiraum entstehen, der es eben ermöglicht, die eigenen Lebenskompetenzen und auch die der anderen wahrzunehmen, weiterzuentwickeln und in einem geschützten Raum zu erproben. 

 

Ablauf unseres Projektes:

 

1 Woche

Spielsachen werden gemeinsam mit den Kindern in Schachteln gepackt, weggeräumt è „auf Urlaub geschickt“

 2 bis 5 Woche

Zum Spielen stehen den Kindern Decken, Polster und Schachteln sowie die Möbel zur Verfügung.

 6 Woche

Zu den Decken, Polstern und Schachteln kommen nun Stecken, Steine, Zapfen, Blätter, …

7 Woche

Es kommt nun die Zeit in der wieder Stifte und Papier zum Bemalen dazukommen.

8 Woche

Nun erweitern wir das Angebot und es kommen Scheren, Kleber und Bücher dazu.

Die Spielsachen kommen langsam wieder „vom Urlaub zurück“. Es werden einige ausgetauscht, und im Morgenkreis wieder eingeführt.

 

Im Freien stehen den Kinder über die gesamte Zeit hinweg Naturmaterialen, welche sie selbst sammeln und finden, zur Verfügung. 

 

Selbstverständlich lassen wir die Kinder den Alltag in dieser Zeit nicht ohne Regeln und Begleitung meistern, aber wir nehmen uns sehr zurück, beobachten intensiv und versuchen nicht so schnell einzugreifen. 

 

„Spielzeugfrei“ bedeutet, dass nichts vorgegeben ist. Die Kinder beratschlagen selbst, was sie tun möchten, welches Material sie dafür brauchen und wer ihnen dabei helfen kann. Ohne Spielzeug müssen sie sich selbst etwas einfallen lassen, sie lernen zu suchen, zu finden, zu erschaffen, zu beobachten, sich anzustrengen und auch Enttäuschungen wegzustecken.

Durch den Wegfall des Spielzeugs erleben Kinder zunächst Langeweile, sie müssen lernen, diese auszuhalten und aus eigenem Antrieb heraus zu beseitigen. 

Sie lernen, sich mit den neuen Gegebenheiten in ihrer Umwelt zu arrangieren.

Dazu gehört auch, zu erleben, dass nicht immer alles so klappt, wie sie es möchten, dass sie auch einmal Frustration aushalten müssen, ohne dass diese gleich von Erwachsenen ausgeglichen wird.

Während der spielzeugfreien Zeit haben die Kinder genügend Zeit zum Forschen und Probieren. Gerade das Umsetzen von eigenen Ideen macht stolz und stark. Wenn Kinder diese Kompetenzen entwickeln können, haben sie weniger Angst vor Misserfolg und Schwierigkeiten.

 

In dieser Zeit lernen die Kinder die eigenen Stärken und Schwächen kennen und auch, wie sie damit umgehen. Diese Zeit ist eine Möglichkeit zur Selbsterfahrung in vielen Lebensbereichen. Sie lernen Grenzen auszutesten, Konflikte gewaltfrei auszutragen, gegenseitige Achtung und Anerkennung für den anderen zu entwickeln. 

 

Regeln werden mit den Kindern gemeinsam und situationsbezogen ausgehandelt. Im Morgenkreis haben die Kinder auch die Möglichkeit, über Gewesenes zu sprechen und dieses zu verarbeiten.

Aber auch im Morgenkreis gilt, dass nichts vorgegeben ist. Die Kinder entscheiden über das Thema, das sie besprechen wollen, das Lied, das sie singen möchten oder das Fingerspiel, das sie gemeinsam mit uns machen wollen.